2.1.2.4 Biotopverbundkonzeption Fließgewässer

Die Bewertung des Zustandes der Fließgewässer in Nordhessen wurde im Bestandserfassungs- und Bewertungsteil (Kap. 7.1.4, Teil 1) dargestellt. Dabei wurden verschiedene Kriterien zugrunde gelegt, die dazu dienen, das Ausmaß der anthropogenen Einflüsse auf den Zustand der  Gewässer und des Gewässerumfeldes aufzuzeigen.

Im Kap. 1, Teil 2 wird der Begriff des Leitbildes und Leitvorstellungen für Natur und Landschaft definiert, diese Leitvorstellungen werden für die einzelnen naturräumlichen Einheiten genannt.

Für die Fließgewässer im Gebiet des Regierungsbezirks Kassel werden im folgenden Schwerpunkträume genannt, in denen vordringlicher Handlungsbedarf  für Sanierungskonzepte und deren Durchführung  besteht.

Generell gilt aber auch, daß an fast allen Fließgewässern Renaturierungsmaßnahmen notwendig sind, und dazu ein allgemeines Leitbild als fachlicher Ansatz dient.

Die Arbeitsgruppe „Oberirdische Gewässer und Küstengewässer" (AGO) der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) ist der Auffassung, daß im Hinblick auf die Vereinheitlichung der Vergleichbarkeit und der Optimierung der Bewertungsverfahren u.a. der Begriff Leitbild für die Fließgewässer wie folgt zu verwenden ist.

Definition eines Leitbildes für Fließgewässer
Das Leitbild definiert den Zustand eines Gewässers anhand des heutigen Naturpotentials des Gewässerökosystems auf der Grundlage des Kenntnisstandes über dessen natürliche Funktionen. Das Leitbild schließt insofern nur irreversible anthropogene Einflüsse auf das Gewässerökosystem ein. Das Leitbild beschreibt kein konkretes Sanierungsziel sondern dient in erster Linie als Grundlage für die Bewertung des Gewässerökosystems (Gewässergüteklasse I). Es kann lediglich das aus rein fachlicher Sicht maximal mögliche Sanierungsziel verstanden werden, wenn es keine sozio-ökonomische Beschränkungen gäbe. Kosten-Nutzen-Betrachtungen fließen daher in die Ableitung des Leitbildes nicht ein." (aus TÖNSMANN 1996, zit. aus: Beschluß der LAWA AGO, Magdeburg, 29. - 31 Januar 1996).

Leitbilder für hessische Fließgewässer
Fließgewässer besitzen eine charakteristische Ausbildung Je nach geologischer Formation und der Niederschlagsmenge bestimmt sich die unterschiedliche Morphologie, die sich zusammensetzt aus dem Sohlgefälle, der Laufentwicklung, dem Sohlsubstrat, dem Geschiebe und der jeweiligen Form des Tales bzw. der Aue.

Nord- und Osthessen weisen in großen Teilen Buntsandstein auf, jedoch gibt es in den verschiedenen naturräumlichen Einheiten auch Basalt, Schiefer, Grauwacke, Muschelkalk, Zechstein u.a., zum Teil in kleinräumigem Wechsel.

Daraus folgt, daß die Fließgewässer auch innerhalb eines Einzugsgebietes in einer großen Vielfalt ausgeprägt sein können.

In HERING et al. (1996) werden Leitbilder für hessische Fließgewässer im Buntsandstein, im Schiefergebirge und im Basalt anhand von Beispielgewässern, sog. Referenzgewässer, beschrieben, die die charakteristischen Merkmale abschnittsweise noch aufweisen.

Folgende Referenzgewässer (jeweils bestimmte Abschnitte) wurden erfaßt:

1. Buntsandstein:

Klingbach 
(TK 25 000, 5722 Salmünster)

2. Basalt:

Salz 
(TK 25 000, 5622, Steinau an der Straße)

3. Schiefergebirge:

Elbrighäuser Bach
(TK 25 000, 4917, Battenberg)

 

Beschreibung der Gewässer und deren örtliche Situation

1. Buntsandstein - Klingbach

Einzugsgebiet:

27 km2

Mittlerer Abfluß (MQ):

ca.0,19 cbm/s

mittl. Niedrigwasserabfluß (MNQ):

ca.0,05 cbm/s

  • ausgeglichener Abflußgang, relativ großer Niedrigwasserabfluß, wenig extreme Hochwasserabflüsse
  • feinkörniger Unterer und grobkörniger Mittlerer Buntsandstein
  • Gewässerbett aus Steinen, Schotter, Sande
  • Talformen: Oberlauf - Kerbtal , Unterlauf - 250 m breite Aue

Leitbildabschnitt

  • im NSG "Waldweide" (Gemeinde Bad Sooden-Saalmünster)
  • großer Strukturreichtum, ehemalige Gewässerläufe in unterschiedlichen Verlandungsstadien, Mehrbettgerinne und ausgedehnte Überschwemmungsbereiche sind kennzeichnend
     

2. Basalt -  Salz

Einzugsgebiet:

66 km2

Mittlerer Abfluß (MQ):

ca.0,9 cbm/s

mittl. Niedrigwasserabfluß (MNQ):

ca.0,13 cbm/s

3. Schiefergebirge - Elbrighäuser Bach

Einzugsgebiet:

13 km2

Mittlerer Abfluß (MQ):

ca.0,20 cbm/s

mittl. Niedrigwasserabfluß (MNQ):

ca.0,02 cbm/s

Die Eigenschaften der o.g. Referenzgewässer werden anhand der Haupt- und Nebenparameter vereinfacht tabellarisch dargestellt:

Tabelle 28: Eigenschaften der Referenzgewässer

Hauptparameter

Nebenparameter

Klingbach

Salz

Elbrighäuser Bach

 

 

Buntsandstein

Basalt

Schiefer

Laufentwicklung

 

 

 

 

 

Laufkrümmung

stark

gering

gering

 

Längsbänke

gering

hoch

gering

 

Besondere Laufstrukturen

zahlreich

häufig

häufig

Längsprofil

 

 

 

 

 

Querbänke

Furten

Sohlenstufe

Sohlenstufe

 

Strömungsdiversität

hoch

sehr hoch

sehr hoch

 

Tiefenvarianz

hoch

hoch

sehr hoch

Querprofil

 

 

 

 

 

Profiltyp

 

flach

flach

 

Profiltiefe

0,5

0,8

1,1

 

Breitenerosion

keine

keine

keine

 

Breitenvarianz

0,4

0,5

0,8

Sohlenstruktur

 

 

 

 

 

Substratdiversität

gering

gering

sehr hoch

 

Sohlenverbau

-

-

-

 

Besondere  Sohlenstruktur

vereinzelt

viele

sehr häufig

Uferstruktur

 

 

 

 

 

Ufervegetation

Wald

Wald

Wald

 

Uferlängsgliederung

3 – 8

stark

4 - 11

schwach

 

Besondere Uferstrukturen

7-15

wenig

23-27

viel

21-33

sehr viel

Gewässerumfeld

 

 

 

 

 

Flächennutzung

Wald

Erlen

Wald

 

Im Folgenden werden für die größeren Fließgewässer Werra, Fulda und Weser im Bereich des Regierungsbezirks Kassel Leitbildvorstellungen aus dem Gutachten „Ökologische Gesamtplanung Weser" (DVWK, 1996) übernommen und hier in verkürzter Form tabellarisch dargestellt.

Die Leitbilder für die Fulda, die Werra und die Weser - Verkürzte bzw. zusammenfassende Darstellung der Leitbilder

Die Karte 27 zeigt die Fulda, Werra und Weser im Überblick. In den Abschnitten von Fulda und Werra, die nur mit II 1. / 2. gekennzeichnet sind,  wechseln sich die in den folgenden Tabellen beschriebenen Leitbilder Mittelgebirgsfluß  - enges Durchbruchstal (II.1) mit Mittelgebirgsfluß -  weite Talaue (II.2) ab.

Karte 27: Auenspezifische Naturraumtypen der Auenbereiche von Werra, Fulda und Weser

(Zum Vergrößern bitte in die Karte klicken)

karte27k 


Tabelle 29: Leitbild Quellbachregion Fulda

Leitbild 1 Quellbachregion FULDA
Auenspezifischer  Naturraumtyp : I

Abiotische Umweltfaktoren

Profil

stark wechselnd, Breiten- u. Tiefenvarianz, Tiefe i.d.R. < 0,3 m

Verlauf

stark gestreckt

Substrat

sehr grobe Substrate, abnehmend

Auenmorphologie

enges Kerbtal, keine ausgeprägte Aue

Abflußregime

starke Schwankungen

Überflutungsdynamik

im Gewässerverlauf zunehmend, Hochwasserüberschwemmungen treten im Oberlauf nicht auf

Gefälle, Fließgeschwindigkeit,
Strömungsverhältnisse

hohes Gefälle (auch im unteren  Abschnitt > 14 ‰,  Fliedemündung MQ ca. 2 cbm/sec

Wassergüte/chem.-phys. Parameter

Gewässergüteklasse I
PH-Wert 6,5 – 7
Temperaturamplitude u. Nährstoffgehalt sehr gering

Grundwasser

frei von anthropogenen Belastungen

Biotische Umweltfaktoren

Pot. Nat. Vegetation

Erlen-Eschenwald

Fauna (Beispiele)

Wasseramsel, Gebirgsstelze, Bachforelle, Äsche, Elritze, Schmerle, Groppe, Steinfliegen, Eintagsfliegen, Köcherfliegen


Tabelle 30: Leitbild Mittelgebirgsfluß mit engem Durchbruchstal Fulda und Werra

Leitbild 2: Mittelgebirgsfluß, enges Durchbruchstal
Naturraumtyp: II.1; FULDA, WERRA

Abiotische Umweltfaktoren

Profil

hohe Varianz von Breite u. Tiefe, Kies- u. Schotterbänke, Kolkbildungen, bei Niedrigwasser teilw. trockenfallend

Verlauf

gestreckt bis gewunden, Furkationen, stellenweise auch mäandernd, starke Neigung zu verzweigtem Verlauf, Altwässer, Stromaufspaltungen, Flußlaufverlagerungen

Substrat

stark wechselnd (feines Geröll, Kies, Sand, Schluff, z.T. auch Felsplatten, Blöcke)

Auenmorphologie

bewegtes Relief mit Terrassen, Dellen, Flutmulden, Hochfluttümpeln,
kleinräumig, da enger Talboden

Abflußregime

Hochwässer vorwiegend im Winter u. Frühjahr, ausgeprägte Niedrigwasserabflüsse im Spätsommer und Frühherbst

Überflutungsdynamik

regelmäßige Überflutungen der Talaue, Bereich der Hartholzaue wird i.d.R. nur bei größeren Hochwässern überschwemmt

Gefälle, Fließgeschwindigkeit
Strömungsverhältnisse

relativ starkes Gefälle vorherrschend, Strömungsverhältnisse und Fließgeschwindigkeiten schwanken stark in Abhängigkeit von der Morhologie und Dynamik

Wassergüte/chem.-phys. Parameter

keine anthropogenen Belastungen, pH - Wert ca. 7,5, Temperaturamplitude nimmt zu (0 - 20 K)

Grundwasser

Grundwasserflurabstände liegen häufig über einem Meter (nicht bei HW), in tiefen Flutmulden kann es hoch anstehen,  Grundwasserstand wird nur bei HW vom Fluß bestimmt

Biotische Umweltfaktoren

Pot. Nat. Vegetation

standorttypische Auenwälder (Weich-/ Hartholzaue)
mesotrophe Pionier- und Sukzessionsgesellschaften
Stieleichen-Hainbuchen-Auenwald
örtlich Erlensumpfwald oder Sumpfweidengebüsche
Verlandungsgewässer und Röhrichte
anthropogener Einfluß : zusätzlich Grünlandstandorte

 

turbulent fließende Bereiche: teilw. mit flutender Vegetation (Grünalgen, Hahnenfuß), teils mit Moosen, Algen, Laichkräuter
Ufer: Großseggen-, Hochstaudengesellschaften, Ufergehölze, u.a.

Fauna
(Beispiele)

typische Tierlebensgemeinschaften der Weich- und Hartholzaue
Arten der Flußschotterbiotope
Stillgewässer, teils temporäre Tümpel und Röhrichte mit reichhaltiger Fauna
typische Vertreter: Flußuferläufer, Eisvogel, Wasseramsel, Graureiher, Wasserralle, Zwergdommel, Schwarzstorch

 

typische Vertreter der Barbenregion

typische Vertreter der Äschenregion

Makrozoobenthos

in Abhängigkeit vom Substrat und Strömungsmosaik reichhaltige Insektenfauna (Köcher-, Eintags-, Steinfliegen, Libellen etc.) Schnecken, Muscheln, Kleinkrebse



Tabelle 31: Leitbild Mittelgebirgsfluß mit weiter Talaue Fulda und Werra

Leitbild 2 - 5: Mittelgebirgsfluß - weite Talaue -
Naturraumtyp II.2
FULDA ,WERRA

Abiotische Umweltfaktoren

Profil

hohe Varianz von Breite und Tiefe, Kies- und Sandbänke, Kolkbildungen, Seitenerosion, bei Niedrigwasser fällt größter Teil des Gewässerbettes trocken

Verlauf

stark gewunden, mäandernd mit entsprechenden Schlingenbildungen und -abschnürungen, Tendenz zu verzweigtem Verlauf, Altwässer, Stromaufspaltungen, Flußlaufverlagerungen
Werra:
Aufgrund des ausgeprägten Wechsels von Talengen und -weitungen entsprechend starker Wechsel im Gewässerverlauf von relativ geradlinig bis geschwungen

Substrat

stark wechselnd von feinerem Geröll, Kies, Sand, Schluff in Abhängigkeit von der Fließgeschwindigkeit,
Ablagerungen von feineren Sedimenten wie Sand und Schluff dominieren

Auenmorphologie

bewegtes Relief mit Terrassen, Dellen, Flutmulden, Hochfluttümpeln, Sandablagerungen dominieren, es haben sich Uferwälle gebildet, aufgrund der weiten Talaue kommt es zur Ausbildung großräumiger Reliefstrukturen
Werra:
im Auenabschnitt Frieda bis Hann. Münden (W4) ist die Auenmorphologie sehr abwechslungsreich mit z.T. ansteigendem Relief, in Talweitungen ist die Aue nur einseitig ausgeprägt

Abflußregime

Abflußschwankungen nehmen im Längsverlauf ab, Hochwässer vorwiegend im Winter und Frühjahr, ausgeprägte Niedrigwasserabflüsse im Spätsommer und Frühherbst

Überflutungsdynamik

Regelmäßige Überflutungen der Talauen durch Hochwässer, Überflutungen teilweise länger anhaltend,
Werra:
im Abschnitt Frieda bis Hann. Münden (W4) treten großflächigere Überschwemmungen i. Allg. nur bei extremen Hochwässern auf, aufgrund des Reliefs nur von kurzer Dauer

Gefälle, Fließgeschwindigkeit

Strömungsverhältnisse

Allgemein geringes Gefälle (0,4 – 1 ‰), stark schwankende Strömungsverhältnisse und Fließgeschwindigkeiten in Abhängigkeit von der Morphologie und Dynamik

Wassergüte/chem.-phys. Parameter

pH-Wert ca. 7,5;  Nährstoffgehalt sehr gering, oligotroph

Grundwasser

Grundwasserflurabstände liegen häufig über einem Meter (nicht bei HW), in tiefen Flutmulden kann es hoch anstehen, das Grundwasser kommuniziert im allgemeinen mit dem Flußwasser

Biotische Umweltfaktoren

Pot. Nat. Vegetation

standorttypische Auenwälder (Weich/Hartholzaue)
mesotrophe Pionier- und Sukzessionsgesellschaften
Stieleichen-Hainbuchen-Auenwald
Örtlich Erlensumpfwald oder Sumpfweidengebüsche
Verlandungsgewässer und Röhrichte
Uferregion: Röhricht, Schilf, Rohrkolben
Anthropogener Einfluß: zusätzlich Grünlandstandorte

Fauna
(Beispiele)

Typische Tierlebensgemeinschaften der Weich- und Hartholzaue
Arten der Flußschotterbiotope
Stillgewässer, teils temporäre Tümpel und Röhrichte mit reichhaltiger Fauna
typische Vertreter: Flußuferläufer, Eisvogel, Wasseramsel, Graureiher, Wasserralle, Zwergdommel, Schwarzstorch, verschiedene Entenarten, Sumpfrohrsänger, Teichrohrsänger
Weißstorch
Fischfauna der Barbenregion
Werra:
im unteren Abschnitt auch Zuwanderung aus der Brassenregion, Fischotter und Biber

Makrozoobenthos

auf unterschiedlichen vom Strömungsmosaik geprägtem Substrat (Hartsubstrat, Weichboden, submerse Pflanzen)



Tabelle 32: Leitbild Mittelgebirgsfluß mit engem Durchbruchstal Oberweser

Leitbild 4: Mittelgebirgsfluß - enges Durchbruchstal
Naturraumtyp II.1 , Bereich Oberweser

Abiotische Umweltfaktoren

Profil

stark wechselnde Profilgestalt mit ebenfalls stark wechselnder Gewässertiefe, meist breites Gewässerbett, Tendenz zur Tiefenerosion, mit Flachwasser (Furten) im Bereich der Fließstrecken über anstehendem Fels, Kolkbildungen

Verlauf

gestreckt, eng angelehnt an die Taleinschnitte, zahlreiche Neben- und Seitenarme, Stromspaltungen

Substrat

Sohlsubstrat aus Kies, Sand, Lehm, Schluff, Kies- und Sandablagerungen dominieren, unterhalb der Mündung größerer Seitengewässer Bildung von Kiesbänken

Auenmorphologie

deutliche Ausbildung von Flutrinnen, Randsenken, Terrassen, bewegtes Relief,
große und kleine Wasserflächen, Versumpfungsbereiche in Form von Altarmen, Kleingewässern, kleinen Wasserläufen, periodisch wasserführende Druckwasserflächen, es dominieren Ablagerungen von sandigen Lehmen und lehmigen Sanden

Abflußregime

ausgeprägte Winter- und Frühjahrshochwässer, starke Schwankungen des Wasserstandes

Überflutungsdynamik

regelmäßige Überflutung der Talaue im Winterhalbjahr, der größte Anteil der Wassermassen wird in der Talaue abgeführt, enger Talraum mit relativ hohen Fließgeschwindigkeiten, Erosionskräfte

Gefälle, Fließgeschwindigkeit
Strömungsverhältnisse

Gefälle (Oberweser im Mittel 0,3 ‰), Fließgeschwindigkeit, Strömungsverhältnisse schwanken stark, Beeinflussung durch den Geschiebehaushalt

Wassergüte/chem.-phys. Parameter

pH - Wert liegt leicht im alkalischen Bereich
Temperaturamplitude hoch (20 K)

Grundwasser

Grundwasserflurabstände liegen häufig über einem Meter (nicht bei HW), in tiefen Flutmulden kann es hoch anstehen

Biotische Umweltfaktoren

Pot. Nat. Vegetation

in der schmalen Talaue Weichholzzonen nur kleinflächig
Hartholzaue: Eichen-Eschen (Ulmen)-Auenwälder bis feuchte Eichen-Hainbuchenwälder
Uferröhrichte, Hochstaudengesellschaften, Pionierfluren Überschwemmungsbereiche, Flutrasen
- randliche Senken: Erlenbruchwald

Fauna
(Beispiele)

Biber, Fischotter, Graureiher, Schwarzstorch, Kormoran, Schwarzmilan, Mittelspecht, Flußregenpfeifer, Flußuferläufer, versch. Wasservogelarten u.a.
Seefrosch, Gelbbauchunke, Kreuzkröte, Ringelnatter
versch. Libellenarten
mäßiger anthropogener Einfluß: Weißstorch, Kiebitz


Im Textanhang zu Kap. 2.1.2.4, Teil 2 werden die Einzugsgebiete der Hauptfließgewässer im Regierungsbezirk Kassel nach den naturräumlichen Einheiten beschrieben, die charakteristischen Merkmale wie die jeweilige Gewässerdichte und die unterschiedlichen Talformen ergeben sich aus der Verschiedenartigkeit der geologischen Ausprägungen.


Schwerpunkträume für den Biotopverbund Fließgewässer in Nordhessen

Fließgewässer sind wichtige, unersetzbare Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen. Voraussetzung für die Erhaltung und Entwicklung dieser komplexen Lebensgemeinschaften (Biozönosen) ist der Schutz naturnaher Fließgewässersysteme sowie die Renaturierung beeinträchtigter Flüsse und Bäche.

Leitbilder für die Fulda, Werra und Weser sowie die Referenzgewässer für die Gewässer II. und III. Ordnung  sollen für die notwendigen Maßnahmen Hilfestellung leisten, um den  spezifischen Charakteristika in den jeweiligen Einzugsgebieten Rechnung tragen zu können.

Projekte und Maßnahmen sollen in den weiter unten aufgeführten Schwerpunkträumen im Regierungsbezirk  Nordhessen für den Biotopverbund der Fließgewässer verwirklicht werden. Dies kann  den effektiven Einsatz öffentlicher Mittel gewährleisten.

Die Schwerpunkträume für den Biotopverbund der Fließgewässer wurden nach folgenden Kriterien ermittelt:

Die Einzugsgebiete bzw. Teileinzugsgebiete sollen einen hohen Anteil an naturnahen Fließgewässersystemen aufweisen. Hier kann mit relativ geringem Aufwand die Gesamtstruktur erhalten und verbessert werden (Verbesserung in den Defizitbereichen), in dem einen oder anderen Fall können schon punktuelle Maßnahmen den Gesamtverlauf eines Gewässers positiv beeinflussen.
Eine annähernd natürliche Hochwasser- und Abflußdynamik  sollte - mindestens abschnittsweise - vorhanden sein und ist nach Möglichkeit zuzulassen bzw. zu fördern.

Gleichzeitig sollten die Auen einen hohen Anteil an extensiv genutztem Grünland oder gar  noch bestehende Auwaldreste aufweisen.
Das Vorkommen typischer autochthoner Arten ermöglicht die Wiederbesiedelung  ehemals beeinträchtigter Bereiche.

Folgende Schwerpunkträume (vgl. Karte Nr. 28) wurden erarbeitet:

  • Watter
  • obere Diemel bis zum Diemelstausee
  • sämtliche Kellerwaldbäche
  • obere Eder und sämtliche Zuflüsse
  • Mittellauf der Eder bis Fritzlar, nebst Wesebach
  • Gilsa
  • Losse, Nieste, Kehrenbach, Ohe-Bach sowie sämtliche Bäche des Söhrewaldes
  • der Mittellauf der Fulda von Solms bis zum Zufluß der Eder, inkl. des Rohrbaches und der Ulfe
  • obere Fulda bis Eichenzell, nebst Zuflüsse
  • Oberlauf der Ulster und deren sämtlichen Zuflüsse
  • die Rhönbäche Nüst, Bieber, Wanne und Igelbach.

(Zum Vergrößern bitte in die Karte klicken)

karte28k 

Die folgende Tabelle 33 stellt den Handlungsbedarf in den ermittelten Schwerpunkträumen dar.
 

Tabelle 33: Darstellung des Handlungsbedarfes in den Schwerpunkträumen zur Tabelle


Folgende Tabelle zeigt wesentliche im Regierungsbezirk Nordhessen sich in Planung bzw. Umsetzung befindliche Renaturierungsmaßnahmen an Fließgewässern:

Tabelle 34: In Planung bzw. Umsetzung befindliche Renaturierungsmaßnahmen

Vorhaben / Planungsgrundlage

Maßnahmen

Planungsstand

 

Stadt Rotenburg "Naturraumtypische Auenrenaturierung der Fuldaaue bei Rotenburg/F", DVWK, Bonn

  • Renaturierung von Hochflutrinnen
  • Anlage von temporären Auengewässern
  • Wiederherstellung von Feuchtgrünland
  • Entwicklung auendynamischer Prozesse

24.04.1996

z.T. in Ausführung

 

Gewässergruppe obere Eder  im Fischerreiverband Kurhessen e.V." Die obere Eder in Hessen"
Eine Untersuchung und ökologische Maßnahmenplanung für das Gewässersystem und die Aue

  • Umfangreiche Renaturierungs- vorschläge

´92-´93

teilweise ausgeführt

Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser [Hsrg.],1994:
Erfassung, Darstellung und Auswertung  des ökologischen Zustandes der Auenbereiche von Werra, Fulda, Ober- und Mittelweser, DVWK, Bonn

  • Schutz und Entwicklung der für den Naturschutz wertvollen Bereiche

1994

geplant

Renaturierung der Schwalmaue bei Schwalmstadt-Allendorf

  • naturnahe Auenlandschaft mit Sukzession, Vernässungsflächen und extensive Grünlandnutzung

28.10.1996

bei Landsburg ausgeführt; bei Dittershausen geplant

Wasserverband Losse, 1996:
"Renaturierungskonzept der Losse"

  • Uferrandstreifen-
    entwicklung
  • aquatische Durchgänigkeit
  • durchgäniger Anschluß der Nebenbäche

1996

geplant

Gemeinde Schrecksbach,
Renaturierung der Schwalm bei Rölls- hausen Renaturierungsmaßnahmen an Fließgewässern

  • Wiederanbindung von Altarmen

1996

geplant

Stadt Borken,
ONB im NSG "Borkener See" "Renaturierung der gesamten Olmes;" Einzelmaßnahmenplanung 

  • Anlage von Flutmulden
  • Altarmanbindung
  • Uferstreifen-
    renaturierung

Dez. 96

Teil A. in Ausführung

ausgeführt

geplant

Stadt Borken, Renaturierung der Jordan bei Roppershain; Planung durch den

  • Gewässerrenaturierung

1995

ausgeführt

Stadt Homberg/E.
Renaturierungsmaßnahmen der Efze und Rückbau des Rinnebachs,

  • Gewässerrenaturierung
  • Bachrückbau
  • Auenrenaturierung

1996

geplant

Entwicklungskonzept zur Wetschaftaue zwischen Ernsthausen und Roda

  • Entwicklungskonzept

1997

teilw. begonnen

Gemeinde Niestetal Renaturierungsmaßnahmen an der Nieste;

  

1997

geplant

Gemeinde Espenau; Biotopverbundplanung am Espebach

  

1997

geplant

Gemeinde Morschen und Flurbereinigungsbehörde, Auwaldanlage für Hochwasser- und Naturschutz; Planung

  

1997

geplant

Stadt Tann: Entwicklung der Ulster

  • Uferrandstreifen
  • Extensivierung der Grünlandnutzung
  • Entwicklung von Auewald
  • Galeriewälder an der Ulster
  • Anlage von Fischtreppe

1997

geplant

Stadt Witzenhausen; Renaturierung des Wilhelmhäuser Baches und seiner Zuflüsse

  

1996

z.T.abge-
schlossen, z.T. in
Ausführung

Gemeinde Niestetal; "Auf der Haare", entlang der Fulda zwischen Losse und Haargraben.

  • Extensivierung oder Auewaldauffostung

1997

geplant

Stadt Trendelburg ; Biotopvernetzung in  den Grünzügen der Diemelaue

 

1997

geplant, z. T umgesetzt

Stadt Korbach; Biotopverbundplanung in der Araue

  • Sicherung der Bachaue und des Grünlandes

1996

geplant

Stadt Baunatal, Wasserverband Baunatal

  • integrale Planung zum Hochwasserschutz und zur Renaturierung

 

z.Zt. in Ausführung

Land Hessen,
die Wehre

  • zentrales Kompensationsvorhaben im Zuge der A44 - Planung

1998

geplant

Land Hessen,
die mittlere Schwalm

  • Kompensationsmaßnah me für die A49

 

geplant

Kreis Fulda u. verschiedene Kommunen,
die Haune

  • Renaturierungskonzepte

 

geplant

Kali & Salz GmbH,
Flurbereinigung, Kompensations-
maßnahmen,
die Lüder

  • Renaturierung

 

geplant

Land Hessen,
Zuflüsse der Fliede

  • Kompensationsmaß-
    nahmen für die A66

 

geplant

Lütter, Flurbereinigungsverfahren Eichenzell

  • Ankauf von Pufferflächen

 

 

Zufluß der Taft, Taftoberlauf

  • Flurbereinigung Gießenbach - Großentaft

 

 

ARLL Fulda, Renaturierung des Döllbaches

  • Managementkonzept ARLL, naturnahe Entwicklung der Aue, extensive Grünlandnutzung

1996/97 begonnen

 

ARLL Fulda, Kalte Lüder

  • Managementkonzept des ARLL

 

 

ARLL Fulda, Ulster

  • Managementkonzept des ARLL

 

 

Abwasserverband Diemel

 

 

  • Renaturierung der Diemelaue

 

geplant

teilweise ausgeführt
´99/00

Kreisausschuss Marburg - Biedenkopf,
„Biotopbrücke Schwalm - Ohm"

  

z. T. im Reg. Bez. Gießen ausgeführt

 

Stadt Gudensberg:
„Renaturierung der Emsaue"

  • naturnahe Auenlandschaft m. Sukzession, Vernässungsflächen und extensive Grünlandnutzung
  • Anlage von Fischtreppe zum Weißenborn
  • Gewässerrenaturierung

2000

bei Dorla
geplant



Vorgehen und Maßnahmen zur Neuanlage von Auwald

Auf der Ebene der Landschaftsrahmenplanung ist es derzeit nicht möglich die Neuanlage von Auenwäldern zu planen. Ziel sollte es sein, eine Konzeption zur Neuanlage von Auenwäldern für den Regierungsbezirk Kassel zu erarbeiten. Mit den folgenden Hinweisen und der Tabelle 35 soll ein Handlungsrahmen  - der die wichtigsten Punkte für die Neuanlage eines Auwaldes beinhaltet -  dargestellt werden (nach SDW 1996, verändert). Siehe hierzu auch Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, "Auenwälder - Information zum Ökosystem und Handlungsleitfaden zur Neuanlage" 1996.


Allgemeine Punkte zur Neuanlage von Auwald:

  • Angestrebtes Ziel der Fließgewässer- und Auenrenaturierung ist die Wiederherstellung auentypischer Standorte mit ihren charakteristischen Lebensgemeinschaften; Auwaldanlage setzt die "Reparatur" (Renaturierung) der Fließgewässer und die Wiederherstellung der natürlichen Dynamik voraus
  • Das Fließgewässer sollte wieder Raum für die Entfaltung seiner natürlichen Dynamik erhalten, somit können natürliche Strukturen schnell und fast kostenneutral entstehen (Arbeiten mit der und wie die Natur)
  • Parallel zur Planung, Genehmigung und Durchführung ist frühzeitig der Kontakt zu Kommunen, Behörden, Grundbesitzern und Verbänden aufzunehmen und die Öffentlichkeit zu informieren
  • Durch die Neuanlage von Auwald dürfen Dritte nicht geschädigt werden; d.h. durch evtl. Rückstau von Hochwasser dürfen keine negativen Beeinträchtigungen oder Schäden für Menschen, Bauwerke und sonstige höher wertigen Güter entstehen. Ferner ist eine mögliche Beeinträchtigung von landwirtschaftlichen Flächen durch Rückstau oder Wiedervernässung zu beachten
  • Es ist von den heutigen ökologischen Rahmenbedingungen auszugehen, und eine Renaturierung ist nur mit wechselseitiger Verträglichkeit der verschiedenen Nutzungen zu realisieren
  • Die Neuanlage von Auwald darf keine bestehenden wertvollen oder besonderen Lebensräume zerstören (z.B. wertvolle Bereiche für Wiesenbrüter, besonders geschützte Biotope nach § 23 HENatG, Kulturhistorische Landschaften).
  • Aufstellen angepaßter Konzepte für ruhige, landschaftsbezogene Erholungsformen in der Aue, um Beeinträchtigungen zu vermeiden.

 

Tabelle 35: Vorschlag für ein Ablaufschema zur Neuanlage von Auwald (SDW 1996, verändert)

Ablaufschema zur Neuanlage von Auwald

Voruntersuchungen zur Standorteignung

  • abiotische und biotische Bestandsaufnahme
  • historische Entwicklung
  • heutige Nutzung
  • bestehende Vorbelastung
  • Abschätzen des Entwicklungspotentials (Luftbilder nach einer abgeflossenen Hochwasserwelle)

Flächenauswahl für Regenerationsmaßnahmen

abhängig von:

  • vorhandenem Standortpotential
  • rechtlichen und planerischen Rahmenbedingungen
  • Interesse vor Ort
  • Flächenverfügbarkeit, insb. in Abstimmung mit dem Grundeigentümer
  • Nutzungsinteressen

Formulierung von Entwicklungszielen (Leitbilder)

  • Aussagen einer übergeordneten Konzeption beachten
  • detaillierte Leitbildformulierung vor Ort

Konfliktanalyse und Erfolgsprognose

  • Bewältigung von Vorbelastung
  • Akzeptanz vor Ort
  • Abschätzen der Auswirkungen der Maßnahme

Vorplanung und Entwurfsplanung mit Kostenberechung

  • Abstimmen der Zielvorstellungen
  • Einbeziehung fachlich Beteiligter
  • Aufstellen einer konkreten Planung
  • Kostenermittlung für die vorgesehene Planung
  • Beantragung von Mitteln für die Umsetzung der Maßnahme

Genehmigungsplanung

  • Erstellen der Genehmigungsunterlagen einschließlich der Anträge auf Ausnahmen und Befreiungen
  • Einreichen der erforderlichen Unterlagen mit Abstimmungsprozeß

Ausführungsplanung

  • Darstellung der Planung mit Einzelangaben

Umsetzung der Maßnahme

  • Grunderwerb
  • Vergabe möglicher Leistungen
  • Wenn möglich Sukzession mit Initialpflanzung (autochthones Pflanzmaterial)
  • Überwachen der Durchführung der Maßnahme
  • Dokumentation der Maßnahme

Erfolgskontrolle

  • Begleituntersuchungen an Fauna und Flora
  • Abschätzen der Effektivität der durchgeführten Maßnahmen
  • Vorschläge für Verbesserung oder weitere Maßnahmen

 

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